Lösungen gegen Plastik

Kunststoffabfälle sind ein globales Umweltproblem. Welche Branchen könnten von einer Lösung profitieren?

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Die UN-Umweltversammlung, die im März 2022 in Nairobi stattfand, könnte der Anfang einer globalen Umorientierung im Umgang mit Plastik sein. Vertreter von 175 Nationen brachten nämlich in der kenianischen Hauptstadt ein internationales Abkommen zur Beendigung der Plastikvermüllung auf den Weg. Der Entwurf hierfür wird in den kommenden zwei Jahren von dem Intergovernmental Negotiating Committee (INC) ausgearbeitet, um dann Ende 2024 von der UN-Umweltversammlung per Votum zur rechtsverbindlichen Verpflichtung der Staatengemeinschaft zu werden. Angestrebt wird ein Reglement, das weltweit den gesamten Produktzyklus von Kunststoffen berücksichtigt – von der Produktion bis hin zu den Möglichkeiten der Wiederverwertung und Entsorgung.

„Ein rechtsgültiges UN-Plastikabkommen könnte möglicherweise eine ähnliche Wirkung wie das Klimaabkommen von Paris entfalten“, schätzt Katja Filzek, Senior ESG-Strategin im Portfoliomanagement bei Union Investment. „Dies wäre unbedingt notwendig, da die Vermüllung der Weltmeere und Böden zu einer ernsten Gefahr für die Biodiversität geworden ist. Ferner verschärfen die petrochemische Industrie und die Müllverbrennungsindustrie durch die Herstellung und Verbrennung von Kunststoffen die Klimaproblematik.“ Sollten Plastikverpackungen durch das UN-Abkommen stärker sanktioniert und besser in den Wertstoffkreislauf eingebunden werden, als dies bisher durch einzelne nationale Regularien möglich war, könnten sich die Wachstumsaussichten  der Rohstofflieferanten und Plastikhersteller deutlich eintrüben, erwartet die ESG-Strategin. Sie stellt dabei aber auch fest: „Viele Branchen sind Teil des Problems, sie könnten durch Transformation aber auch genauso gut ein Teil der Lösung sein.“

UN-Umweltversammlung

Die Umweltversammlung der Vereinten Nationen ist das höchste umweltpolitische Organ der Vereinten Nationen und Steuerungsgremium für das Umweltprogramm der Vereinten Nationen.

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Immer öfter sieht man auch im To-Go-Geschäft Mehrweg.

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Mit Mehrweg und Recycling zur Kreislaufwirtschaft

In Deutschland gibt es bereits ein gut funktionierendes System mit Mehrweg- und Einwegpfand. Es gibt allerdings auch hierzulande immer noch Möglichkeiten, um die Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe weiter zu optimieren. Mehr Mehrweg könnte zum Beispiel auf andere Kunststoffverpackungen ausgeweitet werden. So wurden während des Corona-Lockdowns unabhängig vom Einzelhandel spezielle pfandpflichtige Mehrwegbehälter für die Mitnahme von Speisen und Getränken unter den Namen Ecobox, Rebowl oder Recup zunehmend in der Gastronomie genutzt. Es bleibt abzuwarten, wie weit dieser Trend sich in der Breite durchsetzt und verfestigt.

Das Mehrwegsystem und das Recycling von Plastik sind zwei Säulen der ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft. „Wir sehen bereits erhebliches Potenzial für Recyclingunternehmen und Anbieter von Recyclinganlagen, wenn die strengere EU-Regulierung erfolgreich umgesetzt wird“, sagt ESG-Strategin Katja Filzek. Aktuell wird Plastikmüll vor allem mechanisch recycelt. Hierfür werden die Kunststoffabfälle nach Kunststoffart sortiert, gewaschen, eingeschmolzen und zu sogenannten Rezyklaten aufbereitet. Diese Rezyklate dienen als Ausgangsstoff für neue Produkte und ersetzen damit Kunststoffe aus Neumaterial („Virgin Plastic“). Die chemische Struktur der Kunststoffe bleibt beim mechanischen Recycling erhalten. Das mechanische Recycling setzt allerdings gute Sortieranlagen und idealerweise homogene Ausgangsstoffe voraus und kann nicht beliebig oft durchgeführt werden. Bisher schränkt die oft minderwertige Qualität der recycelten Kunststoffe ihre Einsatzmöglichkeiten ein.

EU-Gebäude in Brüssel

EU-Regulierung

2021 verabschiedete die EU die Einführung einer Plastiksteuer sowie die EU-Richtlinie zum Verbot von Einwegplastik. Die Europäische Union strebt außerdem an, dass bis 2030 sämtliches in der EU im Umlauf befindliches Verpackungsmaterial recycelbar oder kompostierbar sein muss.

Einige Unternehmen wie BASF und Covestro arbeiten bereits an chemischen Recyclinglösungen, die Plastik wieder in ihre einzelnen Bestandteile (Monomere) zerlegen. Die chemische Recyclingindustrie steckt zwar noch in den Kinderschuhen, doch die Industrie könnte künftig über neue Verwertungsmöglichkeiten verfügen, insbesondere für Kunststoffe, die ansonsten schwer zu recyceln sind. „Auch hier sehen wir erhebliches Potenzial, wenn die in der Pilotphase befindlichen Verfahren Marktreife erreichen sollten.“ Mit Fortschritten der Recyclingmöglichkeiten schraubt auch die Konsumgüterindustrie ihre Ziele nach oben. So will Unilever bis 2025 den Einsatz von „Virgin Plastic“ halbieren und mindestens 25 Prozent recyceltes Verpackungsmaterial einsetzen.

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Aus Alt mach Neu: Ein aus alten Plastikflaschen hergestelltes Granulat wird zu PET-Flaschen weiterverarbeitet.

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Suche nach Ersatzstoffen

Unter dem Eindruck einer stärkeren Regulierung wird für die Hersteller von Kunststoffprodukten eine Reduzierung der Kunststoffe eine Frage des wirtschaftlichen Erfolgs. In vielen Fällen sind Kunststoffverpackungen allerdings schwer zu ersetzen. Sie dienen etwa der längeren Haltbarkeit von Lebensmitteln. Außerdem sind Ersatzprodukte nicht unbedingt umweltfreundlicher. „Kunststoffe weisen so viele Vorteile auf, dass sie kaum aus dem täglichen Leben wegzudenken sind – nicht nur bei Lebensmittelverpackungen, sondern auch in Kleidung, bei Hygieneprodukten, bei Möbeln, bei so gut wie allen Industrieprodukten und Maschinen“, fasst Katja Filzek zusammen. „Daher geht es vor allem darum, Plastik, wo schwer zu ersetzen, in die Kreislaufwirtschaft einzubeziehen und eine unkontrollierte Entsorgung zu verhindern.“

Das beginnt mit einem recyclingfreundlichen Design. Die Industrie arbeitet bereits an unterschiedlichen Lösungen. Ziel ist es, die notwendigen Plastikbarrieren und Plastikzusatzstoffe, die die Funktionalität und Haltbarkeit von Papierverpackungen erhöhen, so zu gestalten, dass sie recycelbar sind. Denn: Komplexe Verpackungsmischformen können meist nur mit hohen Zusatzkosten getrennt und wiederaufbereitet werden. Alternative Verpackungsmaterialien vornehmlich von Papierherstellern besitzen ebenfalls Potenzial, vor allem wenn sich durch staatliche Abgaben auf Plastik die Wirtschaftlichkeit erhöht. Unternehmen, die davon profitieren können, sind zum Beispiel der finnisch-schwedische Papier- und Verpackungshersteller Stora Enso und der irische Verpackungshersteller Smurfit Kappa.

„Daher geht es vor allem darum, Plastik, wo schwer zu ersetzen, in die Kreislaufwirtschaft einzubeziehen und eine unkontrollierte Entsorgung zu verhindern.“
Katja Filzek

Senior ESG-Strategin im Portfoliomanagement bei Union Investment

Bei den Ersatzstoffen ist aber auch eine genaue Betrachtung wichtig. Das zeigt sich etwa am Beispiel von sogenanntem Bioplastik und biologisch abbaubaren Kunststoffen. Diese sind weniger umweltfreundlich, als der Name vermuten lässt. Die Wissenschaft forscht allerdings weiter nach Mikroorganismen, mit denen irgendwann Mischkunststoffe mithilfe von Enzymen auch unter normalen Bedingungen wieder in ihre Grundbausteine zerlegt werden können.

Circular-Economy-Strategien am Kapitalmarkt

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es für die Kreislaufwirtschaft der Kunststoffe keinen einzelnen goldenen Weg geben wird. Vielmehr könnte die Lösung in einem multidimensionalen Ansatz verschiedener Recycling- und Mehrwegverfahren bestehen. Unternehmen spüren bereits die steigende Relevanz des Themas bei ESG-Investoren. „Zunehmend beobachten wir, dass es für Konzerne eine Rolle spielt, Ziele und Investitionsbudgets in den Bereichen Recycling und Kreislaufwirtschaft zu veröffentlichen und sich daran im Branchenvergleich messen zu lassen“, erklärt Katja Filzek. Mittlerweile verwenden sogar Hersteller von „Virgin Plastic“ wie die japanische FP Corporation einen höheren Anteil von recycelten Materialien. Selbst Sabic, der größte Plastikhersteller der Welt, möchte ins chemische Recycling einsteigen, bleibt aber bei seinen Zielen zur Kreislaufwirtschaft noch sehr vage.

Wertstoffsammlerin in New York City
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Wertstoffsammlerin in Lower Manhattan. Selbst in vielen Industrieländern ist der Umgang mit Wertstoffen ausbaufähig.

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In jüngerer Zeit setzen sich auch immer mehr Konsumgüterunternehmen ambitionierte Ziele für die Vermeidung von Plastik. Sie haben erkannt, dass Umweltschutz und sorgsamer Umgang mit Rohstoffen positiv auf ihr Markenimage einzahlt. „Deshalb glauben wir, dass sich nachhaltigere Verpackungsmaterialien bei den Konsumgüterherstellern durchsetzen werden“, ist Filzek überzeugt. Der Lebensmittelkonzern Nestlé will allein 1,5 Milliarden Schweizer Franken für teurere Lebensmittelverpackungen aus recyceltem Material ausgeben, um damit die Nachfrage in den kommenden Jahren zu stützen. Zusätzlich stellt Nestlé 250 Millionen Schweizer Franken als Venture Capital für die Entwicklung neuer Verpackungstechnologien bereit.

Lösungsansätze für weniger Plastikabfall – welche Branchen sind wie betroffen?

Von der Plastikgesellschaft zur Kreislaufwirtschaft

 

Wir leben in einer Plastikgesellschaft. Vom tiefsten Meeresgrund bis zum Mount Everest haben Forscher bereits Mikroplastikpartikel nachgewiesen. Intuitiv würde man sagen: „Schluss damit!“ Aber unsere Welt funktioniert leider nicht mehr ohne Kunststoffe. Bisher gibt es nur wenige kostengünstige Alternativen zu Plastikverpackungen. Die bessere Haltbarkeit und das geringere Transportgewicht spielen ebenfalls eine wichtige Rolle, weshalb wir global betrachtet kurzfristig eher mit einer steigenden Nachfrage nach Plastikverpackungen rechnen müssen. Damit dürfte die Plastikmüllwelle leider weiterwachsen.


Immerhin sehen wir international erste positive Zeichen: Die Europäische Union strebt an, dass bis 2030 sämtliches in der EU im Umlauf befindliches Verpackungsmaterial recycelbar oder kompostierbar sein muss. Australien will bis 2025 eine 70-prozentige Wiederverwertungsrate für alle Plastikabfälle erreichen. China als weltweit größter Konsument von Plastik hat ebenfalls angekündigt, den Einsatz von Einwegplastik stärker zu regulieren. Solche nationalen Initiativen könnten durch ein international bindendes UN-Plastikmüllabkommen, welches bis 2024 erarbeitet werden soll, verknüpft und verstärkt werden. Abkommen und Regularien sind wichtig, um dem Trend entgegenzusteuern und unsere Gesellschaften auf einen nachhaltigen umweltschonenden Umgang mit Plastik einzustimmen. Viele Länder werden durch regulatorischen Druck ihre Müllverwertung erhöhen müssen, auch weil Müllexportmöglichkeiten inzwischen weggefallen sind. Die Kreislaufwirtschaft bietet hierfür zahlreiche Ansätze. Global betrachtet haben viele entwickelte Volkswirtschaften noch großes Potenzial und viele ungenutzte Möglichkeiten, Plastik als Rohstoff wiederzuverwerten.


Stand aller Informationen, Erläuterungen und Darstellungen: 23. Mai 2022, soweit nicht anders angegeben.

Hinweis: Die Nennung von Einzeltiteln und Unternehmen dient ausschließlich der Illustration und stellt keine Kauf- oder Verkaufsempfehlung der Titel dar. Die genannten Unternehmen müssen nicht Bestandteil der Portfolios von Union Investment sein. Einschätzungen können sich ändern, und das Unternehmen kann auf Veränderungen bereits reagiert haben.

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